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Komposition
Schaut man sich das Werkverzeichnis von Johannes W. Schäfer
genau an,
so fällt einem auf, dass dieses wirklich umfangreiche Oeuvre in relativ
kurzer Zeit entstanden ist. Gelingt dann noch ein Blick in die Noten
selbst, sieht man mit Staunen, wie sorgfältig jede Stimme, jede
Passage, jeder Ton komponiert und notiert ist und wie das Ganze sich
vollkommen in eine Form fügt, die dem Material angemessen und der
Wirkung nützlich ist. Unschwer erkennt man: Hier schreibt ein Mensch,
der sich mitteilen muss, einer, der sich ausdrücken will mit ganzer
Kraft, hier ist ein Komponist, der sehr überzeugt ist von dem, was er
tut, dem es lebenswichtig ist, zu schreiben.
Johannes W. Schäfer schreibt Musik seitdem er etwa 15 Jahre
alt ist:
Damals schrieb er für ein Gitarren-Trio in dem er mitwirkte, später
dann auch aus dem Rahmen des Musik-Leistungskurses heraus und Stücke
für musizierende Freunde. Das war zwischen 1975 und 1980. Darauf folgte
für Johannes W. Schäfer die lange Zeit von Zivildienst, einer
Berufsausbildung und anschließender Berufsausübung. In dieser Zeit
widmete Johannes W. Schäfer sich zwar weiterhin der Musik, aber nicht
der Komposition sondern er musizierte bei verschiedenen Anlässen auf
seinen Instrumenten.
Das änderte sich 1996: In diesem Jahr stürzte er sich
gleichsam wieder
intensiv in die Musik und begann auch sofort wieder zu komponieren. Es
war ihm wichtig, Musik nicht nur zu konsumieren oder zu interpretieren,
sondern selbst auch welche neu zu erfinden.
So hat er sich dann nach längerer musikalischer Abstinenz und
gleichzeitiger Konzentration auf Nicht-Musikalisches zunächst einmal
einen Lebensraum geschaffen, der ihm heute die Möglichkeit gibt, sich
seinen musikalischen Tätigkeiten optimal zu widmen. Und da er nicht
weiß, wie lange er diese Möglichkeit noch hat, nutzt er seine Zeit
entsprechend produktiv. Und es ist auch wirklich so, dass ganz viel aus
ihm heraus will, viele Ideen, die ihn zwingen, seine Kompositionen hoch
konzentriert und in rascher Folge zu Papier zu bringen. Man merkt es
seinen Arbeiten auch an, dass ihnen das Komponieren „am Stück“ gut tut:
Sie wirken nicht zuletzt auch deshalb wie aus einem Guss.
Und wie schafft er das?
Man muss in seiner Arbeit die verschiedenen Herangehensweisen
an eine
Komposition unterscheiden. Zum einen arbeitet er improvisatorisch am
Instrument und erhält so zunächst locker gebundene Ergebnisse, die er
dann notiert und weiter ausarbeitet. Zum anderen entstehen aber auch
viele seiner Kompositionen vorab im Kopf. Mitunter denkt er wochenlang
über eine Komposition nach und zwar meist an den ihm vorschwebenden
außermusikalischen Hintergrund der jeweiligen Arbeit und schreibt die
Komposition dann in relativ kurzer Zeit – vorausgesetzt, er hat sie
dann gerade – auf.
Es gibt aber auch Kompositionen, die aus einem winzigen Keim
entstehen,
welchen der Komponist mit großer Bewusstheit dann ausarbeitet. Nicht
selten stellt sich dabei unerwartet ein Gedanke ein, der stilistisch
zum bis dahin Notierten kontrastiert und dennoch in den Notentext
integriert wird: Bei diesem „Stilpluralismus“, der für Johannes W.
Schäfer beinahe typisch ist, ergibt sich häufig auch die Verwendung
oder Anlehnung an vorhandenes Material, Skizzen und Zitate, die der
Komponist während der kontemplativen Anfangsphase oft eher zufällig –
oder unbewusst? - gefunden und gesammelt hat.
Bewusstsein durch Unbewusstes schaffen, das Bewusstwerden
fördern, aber
auch Stimmungen vermitteln, oder, wie es Wolfgang Rihm ausdrückte,
„Bewegen und bewegt werden“: Das sind die künstlerischen Absichten, die
Johannes W. Schäfer zu seinem Werk treiben, die ihn motivieren, viel
Zeit seines Lebens seiner Musik zu widmen, die ihren Weg zu den
Menschen seiner Zeit finden soll.
Zur Avantgarde im allgemeinen Sinne zählt Johannes W. Schäfer
sich
nicht, sondern er sieht seine Musik eher unter dem Aspekt des
„Musikantischen“, etwa so wie man es bei Hindemith versteht. Die für
einen so verstandenen Stil nicht selten anzutreffende polyphone Faktur,
die sich auffällig auch in den Stücken von Johannes W. Schäfer findet,
ist für den Komponisten auch Ausdruck der mannigfaltigen Verästelung
der Welt. Es gibt viele kausale als auch nicht-kausale Verbindungen in
allen Elementen der Welt und somit ist Schäfers Polyphonie in diesem
Sinne auch zu verstehen als Ausdruck dieser „schwierigen“
Zusammenhänge: Musik über unsere Welt!
Und wichtig ist ihm, dass so, wie in seiner Sicht bei
Schostakowitsch
und Schnittke in deren Kammermusikwerken oft - trotz tiefster
Traurigkeit - immer auch ein kleiner Hoffnungsschimmer bleibt und das
Leiden und Mit-Leiden, aber auch eine personale Intimität in der Musik
herausklingen, auch in seiner Musik die Hörerinnen und Hörer auf dieser
Ebene emotional und persönlich direkt angesprochen werden.
Es bleibt Johannes W. Schäfer und uns als seinem Publikum nur zu
wünschen, dass er auch in Zukunft genügend Zeit findet, seine inneren
Vorstellungen zu Papier zu bringen und in gelungenen Aufführungen zu
verwirklichen. Dazu soll nicht zuletzt auch dieses übersichtliche
Werkverzeichnis beitragen:
Möge es seine Musikerinnen und Musiker, aber auch sein
Publikum finden ....
Erwin Koch-Raphael
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